Prof. Enno-Ilka Uhde

Dies ist keine Rose

Mit seinem neuen Werkzyklus Dies ist keine Rose macht der „Bebilderer von Inszenierungs- und Kunsträumen“ Enno-Ilka Uhde einen künstlerischen und philosophischen Brückenschlag zwischen der klassischen literarischen Moderne und dem Surrealismus. Es geht um eine Auseinandersetzung mit den Dingen an sich, mit der Verdinglichung des Seins und der Existenz der Dinge durch das Bild. Also ein verwirrendes Amalgam aus real existierendem Objekt, seiner Abbildung und dem Bild an sich, das – indem es Be-Deutung trägt – auf etwas (hin-)deutet.

Dabei geht es eigentlich nur um eine Rose. Wie die amerikanische Schriftstellerin, Verlegerin und Kunstsammlerin Gertrude Stein in ihrem Gedicht „Sacred Emily“ 1922 schrieb: „Rose is a rose is a rose is a rose“, also ganz einfach und trotzdem komplex ist Rose eine Rose ist eine Rose… Es muss im Trend der Zeit gelegen haben, denn 1929 nimmt der surrealistische Maler René Magritte mit seinem Werk La trahison des images (Der Verrat der Bilder) mit der naturgetreuen Abbildung einer Pfeife und der darunter in schönen Lettern geschriebenen Notiz Ceci n’est pas une pipe (Das ist keine Pfeife) bildnerisch Bezug auf die Beziehung des Objekts und seiner Darstellung.

Wie Gertrude Stein und Magritte verweist Enno-Ilka Uhde fast hundert Jahre später mit seinem neuen Bildzyklus in seiner ihm eigenen Art auf die Täuschung der bildnerischen Darstellung, die das Objekt repräsentiert, aber nicht ist. Und doch ist das Bild mehr als die Abbildung des Objekts. Es ist Träger von Assoziationen, Emotionen, Erinnerungen, Erfahrungen, Informationen. In dem das Bild das Objekt verkörpert, bedient es sich in gewisser Weise des Objekts, um seine Eigenständigkeit zu gelangen. Die von Uhde kreierten Rosen und Zirkusszenen entwickeln durch ihre Schönheit und in ihnen verwahrten – und in gewisser Weise „eingefrorenen“ – sensorischen Erfahrungen ihr Eigenleben. Sie stehen in voller ästhetischer Kraft für sich selbst.

Das Bild der Rose ist nicht die Rose selbst, das Bild des Zirkus ist nicht der Zirkus selbst, sondern eine Illusion, der wir als Betrachtende verfallen und die uns anrührt. Durch unsere Imagination erkennen wir dort eine Rose in ihrer natürlichen Objekthaftigkeit, wo es sie physisch überhaupt nicht gibt. Ob wir wollen oder nicht, werden wir dadurch als Teil der Natur in die Natur eingebunden; dessen erwehren können wir uns nicht. Gleichzeitig verweist die Abbildung der Rose und der Zirkusszene auf die Fragilität des Augenblicks, auf den „schmalen Grat, auf dem wir durchs Leben wandeln“ (Ernst Bloch) und wo jeder Schritt, jede Aktion immanent die entropische Wendung in sich trägt.

Die Rose ist nicht die Rose an sich, aber das Abbild der Rose löst in uns Emotionen und Assoziationen aus. Durch die Transformation in ein Kunstwerk wird das Abbild zu etwas Neuem, Eigenem à part entière. Wie eine gute Inszenierung entlassen uns die Bilder in eine Welt größter Freiheit.

Zur Biografie: Enno-Ilka Uhde ist gebürtiger Wiesbadener. Nach dem Studium der Musik und des Operngesangs am Konservatorium Wiesbaden, studierte er an der Universität Frankfurt Germanistik, Politologie und Philosophie. Als Dramaturg arbeitete er an namhaften staatlichen Theaterbühnen, in freier Regie konzipiert und produziert er seit über dreißig Großveranstaltungen im Bereich des Sports und für die Industrie. Die Kreation unzähliger Performances, Bühnenproduktionen, Revuen, Dinnershows, Galaabende und Konzertveranstaltungen gehören zu seinem Portfolio.

Im Bereich der bildenden Kunst entstanden aus seiner Hand große serielle Werke wie „Back to Bambi, 300 Jahre Karlsruhe“ (2015), „Werdet Brüder – 25 Jahre Deutsche Einheit“ (2015), „In Frieden und Freiheit – 70 Jahre BRD“ (2019). Für das Unternehmen Nussbaum Medien setzte Enno-Ilka Uhde 2019-2020 ein eigenes künstlerisches Konzept zur Gestaltung der Verlagsräume um mit mehr als 100 Werken. Im Herbst 2022 wird dazu ein wunderbares, dokumentarisches Kunstbuch erscheinen.

Aufgrund seines Lebenswerkes wurde Enno-Ilka Uhde 2012 zum Professor an der Hochschule für Musik Karlsruhe ernannt.

Unter seiner Marke UHDE ART kreiert der in Karlsruhe lebende Polykünstler mittels aller zur Verfügung stehenden künstlerischen Medien und Ausdrucksformen, wie die Malerei, Poesie, Tanz, Gesang und Musik, 3D-Animationen, Philosophie und Performance-Design einzigartige inszenatorische Arbeiten. In seinen inszenatorischen (Bild-)Kompositionen kommt alles wie in einer Symphonie zu einem Werk zusammen. Bild wird zum Raum, und zum Raum wird hier die Zeit…

(Text: Cordula Münchmeyer, Karlsruhe, im Juli 2022)